Januar 2021: Schon seit Beginn von Corona stand das Zimmer neben mir leer. Aber Anfang 2021 änderte sich das. Ich hörte plötzlich wieder Gespräche aus dem Nebenzimmer. Nach einem Mittagsspaziergang packte mich die Neugier. Ich fotografierte das Klingelschild und checkte Facebook und Instagram: Treffer. Viemela Zaskia Telussa gab es nur einmal.
Da ich gerne gute Nachbarschaft pflege, dachte ich mir, dass ein Kennenlernen nicht schaden könnte. Aber meine erste Nachricht: „Hey Viemela, how are you doing? Do you live in Zellescher Weg 41B?“ (Hey Viemela, wie geht es dir? Wohnst du im Zelleschen Weg 41B?) wurde ignoriert.
Dann wurde es erstmal ruhig. Mein Nachbar verbrachte die meiste Zeit in der Wohnung und auch ein zufälliges Treffen auf dem gemeinsamen Flur gab es nicht. Nur sporadische Unterhaltungen hinter der Wand ließen mich wissen, dass noch jemand neben mir wohnte.
Erste Aprilwoche 2021: Es war Mittwochabend und ich kam spät von der Kleingruppe zurück und wollte schlafen. Dies gestaltet sich äußerst schwierig, da meine Nachbarin ihre Stimmbänder nutzen musste. So folgte eine zweite Nachricht: „Die Wände sind nicht so dick, wie du denkst 😅 ‘Greatest Showman’ habe ich da, falls du am Wochenende Zeit hast, können wir den auch gemeinsam anschauen 🙂“.
Mit etwas Alkohol im Blut kam ich von der illegalen WG-Party in der Nachbarschaft am Freitag ca. 1 Uhr zurück in meine Wohnung. Ich wollte schnell ins Bett, aber checkte nochmal kurz das Handy. Meine Nachbarin hatte geschrieben: „Oh my God, I’m super embarrassed right now 😭😭😭“ (Oh mein Gott, das ist mir gerade total peinlich.) Drei Nachrichten später fragte ich: „Are you free today in the evening?“ (Hast du heute Abend Zeit?) und ein erstes persönliches Treffen bei mir stand fest.
Nach einem super Tag in der Sächsischen Schweiz kam ich abends in meine Wohnung, zog ein Hemd an und schmiss Mini-Pizzas in die Heißluftfriseuse. Ich fühlte mich etwas overdressed als Mela in Jogginghose und T-Shirt auf mein Zimmer kam. „So schlecht sieht sie gar nicht aus“, waren meine ersten Gedanken. Ohne Hintergedanken hatte ich einen gemütlichen Abend mit Film geplant, um meine Nachbarin etwas kennenzulernen. Nun, zu dem Film kam es an dem Abend nicht. Stattdessen redeten wir bis in die Nacht. Ich erinnere mich an den Punkt, wo sie erwähnte, dass sie in Berlin die „Hillsong Church“ besucht hatte. Spätestens zu diesem Moment zucke in mir der Gedanke: „Die Frau hat Potenzial, nicht nur meine Nachbarin zu sein.“
Den Film „Greatest Showman“ holten wir am Sonntag zwei Tage später nach.
Zweite Aprilwoche 2021: Für genau eine Woche später, hatten wir uns zu einem weiteren Film verabredet. Mit „Madame Mallory und der Duft von Curry“ hatte ich an dem Abend wohl einen guten Richer. Mela brachte an dem Abend ihre Lieblingsspirituose aus Korea mit. Und bis heute wird „Soju“ regelmäßig bei uns Genossen.
Dritte Aprilwoche 2021: Auch wenn ich es immer noch nicht Date nannte, ging es zum vierten Treffen mit dem Motorrad in die Sächsische Schweiz. Und Mela überzeugte direkt als bester Sozius, den ich bisher mitgenommen hatte. Und während des Sonnenuntergangs war das Thema für den Abend hauptsächlich, was wir glauben und was das für Auswirkungen in unserem Leben hat.
Mai 2021: Zufällig checkte ich Sonntag, 2. Mai am Morgen mein Instagram und erfuhr, dass Mela Geburtstag hat. Da ich schnell zum Gottesdienst musste, legte ich Schokolade vor die Tür und schickte nur kurz meine Glückwünsche.
Mit Abstand das heißeste Date folgte ein paar Tage später. Ich hatte Mela gesagt, sie soll ein koreanisches oder indonesisches Rezept heraussuchen und die Wahl fiel auf Crispy Chicken. Gemeinsam ging es in den Asialaden. Beim Kochen teilten wir uns auf. Mela macht das Hühnchen, ich machte die Sauce. Als ich 3 EL schwarzen Pfeffer in die Sauce rühren sollte, pausierte ich, meinte zu Mela, 2 EL seien genug. Ich war hungrig und freute mich mega auf das Essen. Nach dem Gebet nahm ich den ersten Löffel und merkte sofort, dieser Abend wird in Tränen enden. Wahrscheinlich wäre auch ein Esslöffel schwarzer Pfeffer an dem Abend zu viel gewesen. Ich heulte auf jeden Fall wie ein Schlosshund, während Mela ohne Probleme das Essen genießen konnte.
Da die Temperaturen Anfang Mai in die Höhe schossen, lud ich Mela an den Strand ein. Mit dem Motorrad ging es nach Ottendorf-Okrilla an die Kiesgrube. Kurz traute sich Mela auch ins Wasser. Der Spaziergang durch die künstlichen Sanddünen Hand in Hand war mein Highlight an dem Tag.
Am Sonntag, den 23.5. lud ich Mela zum Abendessen ein. Mit dem Motorrad ging es an dem sonnigen Abend auf die Agneshöhe in Dresden. Für mich war Mela inzwischen nicht nur eine gute Nachbarin geworden. Und ich fragte sie an dem Abend, ob sie meine Freundin sein möchte. Ohne lange zu überlegen, hörte ich ein „Ja“ und der erste echt miserable Kuss folgte.
Juni 2021: Wir genossen viele schöne Dates, aber Mela hatte meine Eltern noch nicht kennengelernt. Mitte Juni bot sich die Möglichkeit dafür. An einem späten Montag-Nachmittag ging es mit dem Motorrad nach Pobershau. Meine Eltern waren beide unterwegs als wir ankamen. Meine Mutti war als Erstes zurück und lerne Mela kennen. Anschließend beschlossen wir in die Textilsauna zu gehen. Ich werde den Moment nie vergessen, als mein Vati von der Spätschicht zurückkam. Schweiß-gebadet saß ich mit Mela bei 90 Grad auf der Holzbank, als die Saunatür aufging: „Hallo, ich bin der Uwe.“
Januar 2022: Nach dem gemeinsamen Urlaub in Rumänien mit der Familie war ich mir sicher, dass ich den nächsten Schritt gehen möchte. Da mir ein Einverständnis ihrer Eltern wichtig war, organisierte ich einen Videocall. Bis heute trägt der Termin den Namen „Videocall Alex“, da Mela zu diesem Zeitpunkt Zugriff auf meinen Kalender hatte, und ich es geheim halten wollte. Auch die Verbindungsabbrüche konnten mich an dem Tag nicht abhalten, Melas Eltern zu fragen. Während Melas Mutter zu Melas Vater übersetzte, schien die Zeit langsamer als üblich zu vergehen. Aber ich freute mich, als ihr Vater sein Ja zu uns gab.
März 2022: Bis zur Verlobung musste Mela trotzdem noch etwas warten. Nachdem ich den Ring besorgt hatte, entschloss ich mich ein weiteres Date auf der Agneshöhe zu planen. Ich hatte ihre Lieblingssnacks besorgt und Knicklichter für den Abend. Mela erwartete an dem Tag nichts Besonderes mehr, als ich ihr sagte, dass wir 11 Monate feiern. Den Moment wo wir aufstanden, um Bilder zu machen, nutzte ich, um auf mein Knie zu gehen und zu fragen „Do you wanne marry me?“ Ich weiß gar nicht, ob ich den Satz schon fertig gesprochen hatte, als ich ein „Yes!“ hörte.
David dachte, ich wüsste zum ersten Mal, dass es ihn gibt, als er mir im April eine SMS schrieb. Die Wahrheit ist, dass ich seine Nachricht im Januar gesehen habe. Ich habe einige Nachrichten auf Instagram von Leuten erhalten, die ich nicht kannte. Eine Nachricht, die mir auffiel, war von diesem gruseligen alten Kerl. Zumindest sah er auf seinem Profilbild alt aus. Er fragte mich, ob ich an meiner jetzigen Adresse wohne. Ich habe kurz sein Profil überprüft, und da stand #ITEnthusiast. Ich hatte Angst, dass dieser Typ etwas gehackt, und meine Adresse herausgefunden hatte. Auf seine Nachricht habe ich natürlich nicht geantwortet. Tage später wurde mir klar, dass er ständig meine Instagram-Geschichten sah. Ich überlegte, ihn zu blockieren, tat es aber nicht.
Eines Tages sang ich unter der Dusche und ging dann ins Bett. Am nächsten Tag bemerkte ich, dass er mir eine weitere Nachricht geschickt hatte, in der stand, dass die Wand nicht so dick sei, und er mich singen hörte. Da wurde mir klar, dass er mein Nachbar ist, und ich fühlte mich ein bisschen schlecht, anzunehmen, dass er ein Spinner war. Also antwortete ich und entschuldigte mich für die Störung. Er fragte mich, ob wir uns bei ihm treffen und zusammen einen Film anschauen wollen. Nun, basierend auf all den Serienmörder-Dokumentationen, die ich gesehen habe, weiß ich, dass man sich nicht bei Fremden treffen sollte, aber ich sagte ja.
Am nächsten Tag rief ich meinen Bruder und meine Freundin an und sagte ihnen, dass ich mich mit meinem Nachbarn treffe, und wenn sie mich 23:00 Uhr anrufen, und ich nicht abhebe, sollten sie die Polizei rufen. Ich ging zu ihm und klopfte an die Tür und dieser Typ öffnete. Ich hatte eine Jogginghose, ein T-Shirt und einen Hoodie an, und er hatte ein Hemd an. Das Hemd sah aus wie ein Kinderhemd. Später erfuhr ich, dass es tatsächlich ein Hemd aus seiner Kindheit war. Mein erster Eindruck von ihm war nicht so toll. Wir kannten uns noch nicht, aber er versuchte schon, meine Grammatik zu korrigieren. So ein Angeber, dachte ich zuerst.
Aber dann fingen wir an zu reden, und dann war ich immer mehr erstaunt über David. Er behandelte mich mit solchem Respekt. Er hat nicht versucht, irgendetwas zu tun, um mich zu beeindrucken. Wir hatten nur normale Gespräche. Ich hatte noch nie einen Typen getroffen, der so leidenschaftlich über seine Kirche sprach. Und ich mochte es wirklich. Ich erinnere mich, dass ich dachte, dass es schön wäre, einen Freund wie ihn zu haben, der klug ist, sich in der Kirche engagiert, und eine großartige Beziehung zu seiner Familie hat. Das einzige war, er war einfach nicht mein Typ. Pünktlich um 23.00 Uhr erhielt ich einen Anruf von meinem Freund und nutzte dies als Vorwand, um den Tag zu beenden. Aber bevor ich ging, hatte er einen weiteren Termin für einen Kinoabend gemacht. Mir wurde langsam klar, dass dies eine regelmäßige Sache war, die er tat, und immer einen nächsten Termin für das nächste Treffen zu vereinbaren.
Wir trafen uns in 2 Tagen wieder für einen Film und in einer Woche für einen weiteren Film. Ich habe ein paar Mal versucht, nein zu sagen, aber er fand immer wieder einen anderen Tag, an dem er sich treffen konnte. An meinem Geburtstag stellte er eine Schachtel Schokolade vor mein Zimmer und in der nächsten Woche schenkte er mir eine Rose. Am Ende half sein Durchhaltevermögen. Ich fand es toll, dass er Zeit investierte, um sich schöne Dates auszudenken. Es fiel mir leicht, mich lange mit ihm zu unterhalten, und es wurde mir nicht langweilig. Als er mich bat, seine Freundin zu sein, sagte ich ja, gefolgt von unserem Versuch eines ersten Kusses, der kläglich scheiterte.